Gerald Szyszkowitz - Werke: Sekundärliteratur in Journalen


Mathias Mander

in "Literarisches Österreich 1/2008"


Gerald Szyszkowitz, 21 Dramen in drei Bänden, Amalthea-Verlag 2008

  • Band l „Stücke über große Österreicher", 373 S., 19,90 Euro
    ISBN 978-3-85002-628-4
  • Band II „Stücke über große Österreicher", 389 S., 19,90 Euro
    ISBN 978-3-85002-629-1
  • Band III „Stücke aus Österreich", 277 S., 19,90 Euro
    ISBN 978-3-852002-630-7

1 Die Publikation: Band l enthält die „Thaya-Trilogie", die „Schnitzler-Stücke" und das Drama „Der Sonderfall" über den 1980 finalen Konflikt des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Bruno Kreisky mit dem Finanzminister und Vizekanzler Dr. Hannes Androsch (Uraufführung 2009). Band II enthält die Stücke für Sitzenberg,
d.s. „Schubert", „Figl vom Tullnerfeld", „Der Maler Schiele aus Tulln", „Schnitzler unddas süße Mädel", „Robert Stolz und Hermann Leopoldi", ferner die beiden Stücke
„Tschechow" sowie „Schiller und die Schwestern Lengefeld". Band IM enthält diezeitgeschichtlichen Stücke im Theater Experiment am Liechtenwerd, d.s. „Der Lieblingssänger des Führers", „Ein Mord an der Klagemauer? Warum?", „MarianneMoritz oder Die Kunst des Vergessens in Alt Erlaa" sowie die Gegenwartsstücke in der Freien Bühne Wieden, d.s. „Szymanski oder Man kann das ganze Fernsehen umbringen, aber doch nicht seinen Chef, „Ich weiß auf der Wieden ein kleines Hotel", „Schmiergeld von der Waffenlobby nach Friedrich Schiller" sowie einen Einblick in „Die elf frühen Stücke", die 1991 im Breitkopf Verlag veröffentlicht wurden.
Jeder der qualitätsvoll gestalteten Bände enthält Bühnenfotos, Kritiken, die Bibliographie und Auszeichnungsliste des Autors sowie dessen überaus ansprechende Einführungen in Entstehungsgründe und -ablaufe seiner Dramen.

2 Der Autor: Gerald Szyszkowitz (Kürzel G.Sz.), geboren 1938 in Graz, 1960 Dr. phil. Universität Wien, war Regisseur in Bonn, Dortmund, Wilhelmshaven, Stuttgart, Hannover; Chefdramaturg und Regisseur in Graz; 20 Jahre Fernsehspielchef mit legendären Produktionen (z.B. „Alpensaga", „Mit meinen heißen Tränen", „Eine
blaßblaue Frauenschrift", „Das Dorf an der Grenze" usw.) im ORF; seit 2001 ist er Direktor der Freien Bühne Wieden, wo er seither 41 Uraufführungen herausbrachte, davon 14 eigene Stücke. Gerald Szyszkowitz hat 17 Romane und 32 Dramen geschrieben. Es gibt viel Sekundärliteratur hiezu, davon 2 in Buchform, viele Übersetzungen. G.Sz. ist Mitglied es Österreichischen Schriftstellerverbands und des P.E.N.

3 Aus den Einführungen:

Band l - „Das Wichtigste für einen Autor ist, dass er etwas zu erzählen hat... Ich wollte immer Geschichten lesen, hören, anschauen... Und selber Geschichten schreiben und anderen vorspielen... habe als Fernsehspielchef über tausend (!) Geschichten erzählen können... konnte Autoren und Regisseure beauftragen, an die ich geglaubt habe. Und in den Nächten schrieb ich selber... Als ich den ORF verlassen hatte...griff ich sofort zu: ...ein kleines Theater in einer großen Stadt. Im achten Jahr Direktor, habe ich an die 50 Uraufführungen angenommen. Etwa 1/3 der Stücke habe ich selber für die FBW und die Sommerspiele Schloss Sitzenberg geschrieben. Mit ständigem Blick auf unser Publikum und unsere Schauspieler." Der Sonderfall „Kreisky": „Ich näherte mich dem Stück sehr vorsichtig. Eher literarisch. Schiller lesend. Darum war der erste Entwurf auch eine Paraphrase des Kampfes des jungen Don Carlos mit seinem mächtigen Vater Philipp von Spanien... Diese Idee funktionierte aber doch nicht recht... Also versuchte ich die Originaltexte aneinander zu reihen, die ich vor allem in Kreiskys Memoiren, im Androsch-Buch von Beppo Mauhart und im Kreisky-Buch von Elisabeth Horvath gefunden..."

Band II - Am Tag nach der Uraufführung des „Schubert" in Sitzenberg saßen wir mit dem Bürgermeister beim Heurigen und plötzlich sagte er zu mir: "Das da drüben ist Rust im Tullnerfeld, dort ist der Figl geboren. Können Sie nicht versuchen, über den Figl ein Stück zu schreiben?' Mich überzeugte die Qualität der überlieferten Texte, Figls eigene Reden und Erinnerungen. Es gibt so viele gute Texte von Leopold Figl, dass er auch als Bühnenfigur nur Texte spricht, die seine eigenen gewesen sind... Es ist erwiesen, dass sich die Zuschauer alle Informationen besser und länger merken, wenn sie die mit der Hilfe von starken Gefühlen aufgenommen haben... also nicht nur ein geographisches, sondern auch ein aufklärerisches Konzept." „Mich interessierten und interessieren die ewigen Gesetze des Romans und des Dramas immer noch."

Band III - „Das Stück Szymanski"... ist die fiktive Geschichte eines ermordeten ORF-Generalintendanten... entscheidend für die Situation der FBW war... dass ich aus finanziellen Überlebensgründen gezwungen war, im Herbst schnell ein 2-Personen-Stück zu schreiben um es kostengünstig auf die Bühne zu bringen..." Zur „Waffenlobby": „Aber trotz aller Aktualität, das Entscheidende blieb für uns die Charakterkomödie, die aalglatte Geschicklichkeit des Herrn Fuchs."

4 Einige Szenen-Zitate: KREISKY „...jemand, der aus der Oberklasse der Gesellschaft kommt, hat für Skandalträchtiges einen sehr wachen Instinkt! Für die Aufsteiger ist das von vornherein etwas anderes... Die können nämlich nie genug bekommen... Weißt Du, dass der Bund und die Gemeinde Wien der Consultatio Millionenaufträge in den letzten Jahren gegeben haben, das hat mir kein Mensch gesagt! ...Und keiner von denen hat ein Unrechtsbewusstsein!" //"... die Partei tragt den Hannes, an einfachen Menschen, auffe, und jetzt, wo er oben was tuan kennt fia uns, jetzt wü der für sich...den höchstbezahlten Posten von ganz Österreich?"//
BENYA „Wer nicht kämpft kann nicht gwinnen" ANDROSCH „Ich könnt schon kämpfen." BENYA „Du willst aber nicht, weil du einfach verwöhnt bist." ANDROSCH „Ich bin auch verwöhnt, da hast du schon recht, aber vor allem bin ich nicht blöd." BENYA (langsam) „Ah, nein?" ANDROSCH „Nein!"// - FIGL (brüllt) „Ich hab keine Komplizen... Ich hab keine Komplizen... Ich hab keine Komplizen...! DEUTSCHER „Wenn Sie alle Namen vergessen haben.. Na, dann müssen wir Ihnen leider wirklichGelegenheit geben, wieder einmal in Ruhe über alles nachzudenken... in Mauthausen... Und wenn Sie dort Schneeflocken an Ihrem vergitterten Fenster vorbeifliegen sehen... Werden Sie bald merken, dass das Aschenflocken sind..."// NADJA (als Sami) „In der Bibel steht: Du sollst nicht töten, ja, aber da steht auch noch ein wichtigeres Gesetz! Wenn deine Seele gefährdet ist, rette deine Seele... wieso das wichtiger ist? Weil immer das Religiöse das Entscheidende ist...wenn also Sie selber diesen Amerikaner erschossen haben sollen, der alles, was uns heilig ist,jahrelang geschmäht hat, dann haben Sie ein gutes Werk getan..."// MARIANNE „Wer, wie du, nie Gefühle investiert, kann Abzeichen und Grußformeln wechseln wie Hemden. Deine Ideale sind immer nur der Deckname für deinen Ehrgeiz." MAX „Ich kann und will nicht Farbe bekennen. Ich wüsst auch gar nicht, welche....Ja, ich bin ein pragmatischer Mensch, der Karriere machen wollte und deswegen Karrierehilfen angenommen hat"...// SZYMANSKI ...fünfzehn Minuten später stand der Kanzler im Foyer... und verstand... was los war: Der Fernsehdirektor ist tot, der Job ist frei"...// NEUWIRTH „...kriechende Mittelmäßigkeit kommt oft weiter als das geflügelte Talent, der Schein regiert die Welt, und die Gerechtigkeit regiert eben leider nur auf der Bühne."

Episode: Während mehrwöchiger Proben für mein Reichsbrückenstück - täglich von 10 bis 14 Uhr, allabendlich lief das G.Sz.-Schillerstück, beobachtete ich das Erarbeiten aller Schritte, Gesten, Blicke, der Handhaltungen mit Zeichenrolle, Zirkel, Rechenschieber, Notizblock, Schlüssel, Halskette. Plötzlich sein Ruf nach dem Requisiteur: Auf dem Tischchen in Prof. Flachs Wohnung soll bei den Büchern zuoberst der im Text zitierte Michael Kohlhaas von Kleist liegen. Und daneben soll eine kleine Vase mit Blumen in der Farbe des Kleids der Franziska stehen. Zu mir gewandt, sagte G.Sz. erklärend: „Bert Brecht fordert, auch wenn du im Theater Armut zeigst - sie muss ästhetisch schön sein."

6 Interview: M.M.: Welche Galaxien kreisen in Deinem inneren Kosmos? G.Sz.: Klassische Prägung im Grazer Akademischen Gymnasium, viele Jahre Griechisch und Latein. - Die Tanzkunst meiner Mutter. Die Literatur des Vaters. Die Malerei des Urgroßvaters, der Kirchenmaler Josef Gold in Salzburg. Lesen, Schauen, Darstellen, Theater - nicht spielen, sondern machen! M.M.: Deine „Produktion" als Romancier, Dramatiker, Produzent, Regisseur ist immens. Woher kommt die Energie? G.Sz.: Antrieb zum vollen Erfassen des Menschenlebens. Beobachten von Personen, die sich verändern im Drama, durch die Katharsis. Mich interessiert es: Warum reagiert die Figur so? Die klassischen Gesetze des Romans - Leo Tolstoi, Theodor Fontäne, Joseph Roth - angewandt auf den Erkenntnisdrang in Prosa und Drama.

7 Würdigung: Allein G.Sz/ Theaterproduktionen seit 2001 wurden von über 50.000Menschen besucht. Alle Stücke hat er inszeniert, die Hälfte hat er selbst geschrieben. Die Auslastungen liegen stets nahe 100% - eine Voraussetzung zur Beschäftigung von etwa 70 Schauspielerinnen und Schauspielern. Der Kunstverstand, das Weltwissen, die Menschenkenntnis, der humanistische Durchblick, die schöpferische Gestaltungskraft, die alltägliche Handlungsfähigkeit und Vermittlungsbegabung, aber vor allem die literarische Aussagefähigkeit des Gerald Szyszkowitz sind wirklich einmalig. In den 30 Jahren, die G.Sz. in Maria Enzersdorf wohnhaft ist, hat er 30 Theaterstücke und 17 Romane, u.a. „DerThaya" (1981) und „Puntigam oder die Kunst des Vergessens" (1988) veröffentlicht. 13 Bände Übersetzungen liegen vor.
Von ihm stammt die Ansprache des Papstes Johannes Paul II. am 12.9.1983 in der Wiener Hofburg. Karol Wojtyla, auch Theaterautor, hat kein Wort geändert: „Geschichte von Wissenschaft und Kunst ist verbunden mit Geschichte des Glaubens. Mögen wir uns auch an verschiedenen Ufern aufhalten, so begegnen wir einander doch in der Frage nach dem Menschen und seiner Welt." Eine Konstante der G.Sz -Texte ist ihre Nähe zur Aktualität. Beinahe hätte er eine Rede für den Wahlwerber Waldheim geschrieben, hätte dieser nicht die Frage nach seinem Kriegseinsatz rundweg zurückgewiesen. Der Schriftsteller hat die Unhaltbarkeit dieser Meinung vorausgesehen, der Politiker nicht: Ein Anstoß für große Literatur.
Das 17-bändige Romanwerk bringt es auf 3.739 Buchseiten. Goethe versteht seine Werke „als Bruchstücke einer großen Konfession." Was wäre wohl eine solche des G.Sz.? Das Gewirk und Gewoge unseres Erlebens in dem Kontinuum voll Gestalten und Schicksalen zu bannen, zu erzählen. G.Sz. schuf ein Österreichpanorama von besonderer Authentizität und Brillanz. Sein Name steht in einer Reihe mit Schlüsselautoren der uns konstituierenden Österreich-Literatur. Unlängst sah ich G.Sz. die Wiedner Hauptstraße überqueren (bei rot). In offener schwarzer Winterjacke, geduckt, die weiße Mähne im Regen, eilte er zu einem weiteren Arbeitstermin ins Cafe Wortner gegenüber seinem Theater. Mir fiel in diesem Augenblick der Schlusssatz seines Friedrich Schiller paraphrasierenden Stücks vom Oktober 2007 ein: „Gerechtigkeit regiert eben leider nur auf der Bühne." Und ich meinte plötzlich klar zu erkennen, was der allertiefste lebenslange Antrieb zum literarischen Riesenwerk des Gerald Szyszkowitz ist: Das Herbeirufen, das Zum-Leben-Herunterzwingen der Gerechtigkeit, der benennenden, aufklärenden, schicksalstiftenden Gerechtigkeit, auf die Bühne, ins Theater, durch die Kunst...
Die soeben erschienenen drei Bände mit 1039 Seiten (!) Dramen - eines davon das in seiner packenden Authentizität und menschlichen Noblesse überwältigende Stück „Kreisky" mit dem Uraufführungsjahr 2009 - gebieten herzlichste Anerkennung und höchste Auszeichnung für das in Breite, Menge, Tiefe und Güte singuläre literarische Wirken des Gerald Szyszkowitz.
Matthias Mander



Norbert Mayer in die "Presse"

 

Die Theater-Leidenschaft hat ihn er­wischt, als er zehn Jahre alt war. „Da spielte ich den Sohn des ,Götz von Berlichingen' auf der Grazer Schlossbergbühne", sagt Ge­rald Szyszkowitz, der heute, Dienstag, seinen 70. Ge­burtstag feiert. Seither hat den langjährigen Leiter des ORF-Fernsehspiels diese Lei­denschaft nicht verlassen. Allerdings wird sich Szyszko­witz Ende 2009 aus dem All­tagsgeschäft verabschieden. Dann legt er nach zehn Jah­ren die Direktion der Freien Bühne Wieden zurück, die in Wien zu einer Institution für Uraufführungen geworden ist; 41 sind es bisher.

Szyszkowitz will künftig wieder verstärkt schreiben, was er ohnehin auch bisher konsequent betrieben hat. 17 Romane und mehr als 40 Dramen entstanden über die Jahre. Bei Amalthea sind so­eben drei Bände einer Werk­ausgabe seiner Theaterstü­cke erschienen. Von Schnitz­ler bis Kreisky reicht diese Serie über große Österrei­cher.

Nach der Promotion zum Dr. phil. in Wien, einer Assis­tenz bei Willi Forst und dem Beginn einer viel verspre­chenden Karriere in Deutschland war Szyszko­witz Ende der Sechzigerjahre als Chefdramaturg am Gra­zer Schauspielhaus vor allem ein Proponent für zeitgenös­sische Literatur, ein wichti­ger Impulsgeber für den „steirischen herbst". Er brachte Wolfgang Bauer („Magic Afternoon") und Pe­ter Handke („Kaspar")auf die Bühne. Das waren damals noch Skandale. Zudem in­szenierte er 1969 die Urauf­führung von Horvaths „Zur schönen Aussicht".

1972 holte Generalinten­dant Gerd Bacher den steiri­schen Rebellen in den ORF. „Die Alpensaga", „Kottan er­mittelt", „Ein echter Wie­ner", wunderbare Literatur­verfilmungen durch Axel Corti entstanden. Das Fern­sehspiel wurde zur Marke. Dreimal gewannen Produk­tionen von Szyszkowitz den „Prix d'Italia", etwa „Das Dorf an der Grenze". Ange­feindet wurde er- trotzdem: „Wegen der .Arbeitersaga' hat man mich drei Jahre als Fernsehspiel-Chef abgesetzt. Die Roten machten Druck. Die wollten mich sogar raus­hauen. Das gelang nicht."

1994 ging Szyszkowitz in Pension - um weiter Theater zu machen, ganz nach den klassischen Bühnengeset­zen. 98 Prozent Auslastung hat er an der Freien Bühne. Sich selbst bezahlt er dabei nichts: „Es ist für mich ein reines Vergnügen."


Hansjörg Spies in der "Kleinen Zeitung"

 

Mit Mut in den größten Wirbel

Hebamme für Wolfgang Bauer und Peter Handke war Gerald Szyszkowitz am Grazer Schauspielhaus, ehe er 22 Jahre die Fernsehspiel-Kultur des ORF prägte.

Gerald Szyszkowitz wird mor­gen 70. Als Ermöglicher, Chefdramaturg, ORF-Fernsehspielchef, als Autor und seit 2001 als Theaterdirektor war er stets ein unruhiger Geist hinter einem freundlichen, ja sanften Lächeln. Trotzdem wurde er zum „Bür­gerschreck", als er am Grazer Schauspielhaus als Dramaturg Wolfgang Bauers „Magic After-noon" und „Change" und Peter Handkes „Kaspar" durchsetzte. Da war der Wirbel noch ein fri­sches steirisches herbst-Lüfterl. Doch als ihn Gerd Bacher 1972 zum ORF holte, wollte dieser an­scheinend auch mehr Wirbel und bekam ihn auch. Denn in Erman­gelung eines Pools von Dreh­buchautoren setzte der Grazer im ORF Peter Turrinis „Alpensaga" durch, Thomas Pluchs „Dorf an der Grenze", Georg Stefan Trollers „Wohin und zurück" und Helmut Zenkers „Kottan". „Der Erfolg hat die Angst be­siegt", bilanzierte Szyszkowitz, als er von Gerhard Zeiler 1994 in den vorzeitigen Ruhestand genö­tigt wurde, weil Zeiler eigene Film- und Fernsehproduktionen kein Anliegen waren. Gerd Bacher opponierte nur einmal und nannte das Werfel-Projekt „Eine blassblaue Frauen­schrift" den „letzten Schas". Aber als Szyszkowitz und Regisseur Axel Corti den „Prix Italia" heim­brachten, entschuldigte sich der ORF-General: „Du hattest recht, ich nicht."

Bleibende Verdienste von Szyszkowitz sind die Durchset­zung von Ödön von Horvaths Stück „Zur schönen Aussicht", die Uraufführungen nicht nur ei­gener Theaterstücke auf der Frei­en Bühne Wieden und nicht zu­letzt seine Romane wie „Puntigam oder Die Kunst des Vergessens".


Petra Tempfer in der "Wiener Zeitung"

 

Im Wiener Salon der Gegenwart

Wie Szyszkowitz zum Theater „Freie Bühne Wieden" kam.


Wien. „Ich war ein schlech­ter Schüler", sagt Theaterdi­rektor Gerald Szyszkowitz im Gespräch mit der „Wie­ner Zeitung". Der Autor und Regisseur lässt sein Leben Revue passieren, das akti­ver nicht hätte sein können. Geboren am 22. Juli 1938 in Graz, war er zuerst von Winnetou fasziniert und in­szenierte bereits im Alter von 12 Jahren ein Theater­stück mit dem Romanhel­den als Hauptfigur - das „G'spür" für ungewöhnliche Personen oder spannende Themen begleite ihn bis heute, so Szyszkowitz.

Erst seine späteren Wer­ke sind historischen Per­sönlichkeiten wie Franz Schubert, Leopold Figl oder Egon Schiele gewidmet. Diese drei haben nicht nur ihre Herkunft aus dem Tullnerfeld gemein, sondern auch ein außergewöhnli­ches Leben. Gerade deshalb interessieren sie die Men­schen - und Szyszkowitz.

Franz Schubert war ein „armseliger Syphilitiker", Leopold Figl hat im KZ Mauthausen gehungert, und Egon Schreies porno­grafische Bilder wurden ihm schon zu Lebzeiten zum Verhängnis.

 

„Ich bin Minimalist"

Am meisten fasziniert Szyszkowitz aber der öster­reichische Erzähler und Dramatiker Arthur Schnitz­ler, dem er durch das Lesen seiner Briefe und seiner Ta­gebücher näher kam. Weil Schnitzler als Schriftsteller begabt war, konnte er als Liebhaber und Ehemann in seinen Briefen über die Ma­ßen verletzend sein.

Wenn Szyszkowitz selbst ins Theater geht, betrachtet er die Inszenierung natür­lich mit dem kritischen Blick des Regisseurs. Als störend empfindet Szyszko­witz Darsteller, die für das Stück gerade nicht von Be­deutung, aber dennoch auf der Bühne sind. „Ich bin in allem ein Minimalist", sagt er, „ich brauche nur das Notwendigste an Text und Requisiten."

Am besten sieht sich Szyszkowitz in seinen eigenen Stücken verwirklicht, „weil sich jeder Text schon allein durch die Schauspie­ler auf der Bühne ein biss­chen verändert." Als Autor hat er dann die Freiheit, di­rekt einzugreifen. Von sei­nen bisherigen Inszenie­rungen schätzt er „Direktor Mahler" (2006), über den Komponisten und Operndi­rektor Gustav Mahler, am meisten.

Theater und Fernsehen scheinen vielleicht gegen­sätzlich, Szyszkowitz findet dennoch Übereinstimmun­gen. Er spricht aus Erfah­rung, war er doch nach sei­nem Wirken als Theater-Regisseur in Deutschland und Graz über 20 Jahre lang (1973-1994) als ORF-Fern-sehspielchef tätig. „Ähnlich ist, dass man Geschichten erzählt, die den Menschen helfen, ihr Leben besser zu verstehen", sagt er und ver­weist dabei auf die „Alpen­saga", die er produziert hat.

 

Malen und Fußball

Szyszkowitz wandte sich 2001 erneut dem Theater zu, als er die „Freie Bühne Wieden" von der ehemali­gen Schauspielerin Topsy Küppers übernahm. Seit­dem führt er dieses Theater als Uraufführungsbühne.

Die Hälfte aller Stücke schreibt Szyszkowitz selbst, vor der Uraufführung wird etwa sechs Wochen ge­probt. Der Theaterdirektor freut sich über alle Besu­cher. Um manche von ihnen kümmert er sich persön­lich. Weil er Menschen mag - und weil es eine Möglich­keit ist, sein Stammpubli­kum noch fester ans Thea­ter zu binden. Was notwen­dig ist, denn es wird immer­hin zu einem Drittel von Kartengeldern finanziert. Die restlichen Drittel teilen sich Sponsoren und Staat.

Heute blickt der Vater dreier Kinder zufrieden auf sein Leben zurück. Inner­halb der letzten 40 Jahre hat er 30 Theaterstücke und 16 Romane veröffentlicht, „um sich produktiv am Le­ben zu halten", so der Au­tor. Diese sind hauptsäch­lich in der Nacht und in den Ferien entstanden. Seit drei Jahren malt Szyszkowitz, von Klimt beeinflusst, am liebsten mit Öl. Ein weiteres Hobby ist Fußball, wo er aber lieber nur zusieht.

 

Nahe am Publikum

Ein Besuch in Szyszkowitzs Theater soll einem Salon-Besuch gleichen. Im Wiener Salon der Jahrhundertwen­de traf sich die Gesellschaft, um zu plaudern und zu dis­kutieren. Im Fall der „Frei­en Bühne Wieden" finden die Diskussionen nach der Aufführung in einer nahen Pizzeria statt. Und Zuschau­er sind ebenso dabei wie Schauspieler.

An manchen Abenden schüttelt Szyszkowitz bis zu 100 Besuchern die Hand -er legt großen Wert auf Per­sönlichkeit und Nähe zu seinem Publikum. „Leute wegschicken, das gibt's nicht", betont er stolz. Ge­nügend viele weiße Thonet-Sessel stehen für all jene bereit, die den Abend mit einem gemütlichen Salon-Besuch genießen wollen.



Martin G. Petrowsky in "Der literarische Zaunkönig 2/2008"

 

Der Tag ist lang und Gerald Szyszkowitz ist ein Phänomen.

 

Im Jänner 2008 erhielt Gerald Szyszkowitz den „Würdigungspreis für Literatur" 2007 des Landes Niederösterreich. Damit wurde eine der eindrucks­vollsten - und zugleich bescheidensten - Persön­lichkeiten der österreichischen Kulturszene, ein Mann, der sonst als Theaterdirektor seine Autoren und Schauspieler ins Scheinwerferlicht zu stellen pflegt, einmal selbst vor den Vorhang gebeten.

Sein Werk ist so immens, dass man vergessen könnte, dass ein Einziger all das bewirkte, schrieb Matthias Mander in den „Niederösterreichischen Nachrich­ten". Seinem Wesen entsprechend zeichnet er sich durch disziplinierte Professionalität und entfesselte Naivität, literarische Substanz und dramaturgische Pragmatik, profunde Kunstkenntnis und elegante Besessenheit, durch lockere Arbeitswut, gelöste Konsequenz, kollegiale Autorität, Nonchalance und Präzision aus.

Eine kompaktere Formel als diese lässt sich für die Charakterisierung des Künstlers und Kunstmanagers Szyszkowitz - beides ist er mit großer Leidenschaft - wohl nicht finden. Auf meine wiederholte Frage, wann er denn neben seiner Funktion als Theaterdirektor der „Freien Bühne Wieden", der für den Spielplan und die Finanzen, die Engagements und die Autorenkontakte, die Medienarbeit und die Gestaltung der Programmhefte zu sorgen hat, der meistens selbst Regie führt, der als „Seelendoktor" seiner Schauspieler und als Animateur seines stän­dig wachsenden Stammpublikums fungiert und der praktisch bei jeder Vorstellung in seinem Theater anwesend ist, - wann er also Zeit für seine eigene künstlerische Tätigkeit (und nicht zu vergessen: seine Familie) findet, erhalte ich immer nur die pro­saische Antwort: Der Tag ist lang ...


Gelebte Träume

Am 22. Juli 1938 in Graz geboren, schon 1960 an der Universität Wien zum Dr. phil. promoviert, gönnte sich Gerald Szyszkowitz auf einer fast drei Jahre währenden Weltreise eine Horizonterweiterung, von der er wohl heute noch zehrt. Bis 1972 arbeitete er danach als Regisseur und Chefdramaturg an ver­schiedenen deutschen und österreichischen Büh­nen; anschließend war er bis 1994, mit einem kurzen Intermezzo als Musikchef, Leiter der Hauptabteilung „Fernsehspiel" beim Österreichischen Rundfunk. Er war in dieser Zeit für mehr als 1.ooo Film­produktionen, darunter die Alpensaga oder Kottan, zuständig. Nach seiner Pensionierung brachte das Multitalent drei seiner Stücke im „Experiment am Lichtenwerd", einem renommierten Wiener Kel­lertheater, selbst heraus, bevor er sich 2001 endlich seinen Traum von der eigenen Bühne verwirklichen konnte: Er übernahm von Topsy Küppers die „Freie Bühne Wieden" und führt sie seither mit großem Erfolg.

Szyszkowitz positioniert sein Theater als Urauf­führungsbühne. Stücke von Peter Turrini, Herbert Rosendorfer, Milo Dor, Erika Mitterer und - Gerald Szyszkowitz erblickten hier unter anderen das Licht der Welt. Dessen Dramen, überwiegend biografische Skizzen, immer sehr sorgfältig recherchiert, spannend und witzig aufgebaut unter Verwendung möglichst vieler Originalzitate, kamen heuer sogar im Amalthea-Verlag in gedruckter Form heraus, in drei Bänden, mit insgesamt 20 Stücken! - Der Tag ist lang ...



Justyna Krauze

 "Lesereise der Katja Thaya" von Gerald Szyszkowitz als Beispiel einer gegenwärtigen Initiationsgeschichte in:

Studia Niemcoznawcze - Studien zur Deutschkunde. hrg. v. Lech Kolago; Band XXXI, Warszawa 2005, S. 459-473.

 

Justyna Krauze

Eine tragisch-faszinierende Erfahrung des Orients in der Israeltrilogie von Gerald Szyszkowitz; in:

Studia Niemcoznawcze - Studien zur Deutschkunde. hrg. v. Lech Kolago; Band XXXII, Warszawa 2006, S. 373-388.

 

Justyna Krauze

Das Motiv des Anschlusses in der österreichischen Literatur am Beispiel

von Lili Körbers "Eine Österreicherin erlebt den Anschluss",

Reinhard Federmanns "Chronik einer Nacht" und Gerald Szyszkowitz`"Puntigam oder die Kunst des Vergessens" in:

Studia Niemcoznawcze - Studien zur Deutschkunde. hrg. v. Lech Kolago; Band XXXIV, Warszawa 2007, S. 119-146.