Direktion Freie Bühne Wieden

Uraufführung 26. Oktober 2004

VERDUNKLUNG
von Erika Mitterer
Tragödie in drei Akten

Dozent Dr. Benno Elias - Gerhard Rühmkorf
Gundel Elias, geb. Hagenau, seine Frau - Elisabeth Augustin
Sabine, deren Tocher - Michaela Ehrenstein
Wolfgang, deren Sohn - Matthias Hacker
Pastor Erich Hagenau, ein Vetter Gundels - Rainer Stelzig
Lisbeth, Köchin bei Elias - Ingrid Beil
Frau Wurmser - Johanna Thimig
      
Regie und Raum: Gerald Szyszkowitz
Assistenz: Peter Beil, Alfred Beil

Musiker: Olga Maria Klos, Franz Luttenberger, Christoph Rois
Kostüme: Gabi Weninger
Fotos: Rolf Bock
Aufführungsrechte: Martin G. Petrowsky

Zeit: 1933, 1940, 1944
Ort: Kleinere Universitätsstadt Mitteldeutschland


Norbert Mayer, Die Presse, 28. 10. 2004
LÜGEN IN FINSTERER ZEIT Eine sehenswerte Wiederentdeckung
Erika Mitterer, die als Lyrikerin in den fünfziger Jahren einen ausgezeichneten Ruf hatte, schrieb auch Dramen, die damals nur zu Achtungserfolgen wurden. Auf der Freien Bühne Wieden, für deren Direktor Gerald Szyszkowitz österreichische Uraufführungen programmatisch sind, wurde nun zum zweiten Mal ein Mitterer-Stück gebracht. Unter der Regie des Hausherrn sieht man eine Tragödie, die unverständlich macht, warum diese Autorin so rasch vergessen wurde. Zu früh habe sich Mitterer nach der Nazizeit mit Vergangenheitsbewältigung beschäftigt, mutmaßten damals einige Kritiker, zu spät, einige andere. Die Verdrängung funktionierte in jeder Hinsicht. Mitterer trifft den Ton genau, der Furcht und Elend des Dritten Reiches ausmacht: Die Verharmlosung 1933, als der jüdische Wissenschaftler Benno Elias (Rühmkorf) und seine Frau Gundel, geborene Hagenau (Augustin), noch hoffen, dass es mit Hitler nicht ganz so schlimm werden würde. Sohn Wolfgang (Hacker) tritt der Hitlerjugend bei, sein Onkel, Pastor Hagenau (Stelzig), begrüßt das fast euphorisch. Nur Tochter Sabine (Ehrenstein) und Köchin Lisbeth (Beil) ahnen, was auf die Familie zukommt. 1940, 1941 herrscht eine Atmosphäre der Angst, die Lügen gebiert. Ominös übernimmt Frau Wurmser (Thimig), die beste Beziehungen zu den Größen des Regimes hat, das Kommando im Haus.
Lüge und Schuld, Hysterie und Wahn steigern sich bis zum tragischen Ende. Allein der zweite von drei Akten hat dramaturgische Schwächen, der Übergang von ge­spielter Harmlosigkeit zur existenziellen Bedrohung gerät etwas abrupt. Doch Augustin gibt vor allem im dritten Akt eine furiose Darstellung der Ehefrau, Thimig spielt die mysteriöse Wurmser schön theatralisch, starke Momente haben auch Beil und Ehrenstein. Im Vergleich zu den Frauen fallen die Männer etwas ab, Hacker als angepasster, karrieresüchtiger Sohn wirkt unsicher. Alles in allem aber ist Szyszkowitz eine stimmige Aufführung gelungen, die Rücksicht auf die subtile Sprache Mitterers mit ihren vielen Zwischentönen nimmt.


'Besser Schatten sehen, als niemand sehen! Besser das Schlimmste ahnen, als gar nichts wissen!', läßt Erika Mitterer die Mutter sagen. Ein wunderbares, wichtiges, besonderes, wertvolles Stück. Jeder einzelne Mensch, der gekommen ist, um es anzuschauen, ist ein wunderbarer, wichtiger, besonderer und wertvoller Mensch. Wir, das Ensemble, dürfen das Stück dem Publikum übermitteln. Danke, daß ich diese wunderbare, wichtige, besondere, wertvolle Aufgabe mit Euch teilen durfte.
Eure Elisabeth Augustin, November 2004