Direktion Freie Bühne Wieden

Uraufführung 17. Februar 2004

TALKSHOW
von Thomas Enzinger

Laura - Anita Kolbert
Maria - Mimi Kilinger
Nadja - Katja Staud
      
Regie und Bühne: Michaela Ehrenstein  
Assistenz: Alfred Beil
Kostüme: Gabi Weninger
Fotos: Rolf Bock
Aufführungsrechte: Bühnenverlag Kaiser & Co.

 
Heiner Boberski, Die Furche, 26. 2. 2004
NACH DER TALKSHOW IN DEN TOD
Zwei solide Uraufführungen an der Freien Bühne Wieden in Wien

Wahre Theaterstädte leben nicht nur von den Staatstheatern, die vorwiegend etablier­te Dramatiker pflegen (oder auch gegen den Strich bürsten) und davon, dass regel­mäßig Weltstars der Musik hier Station machen. Nur wo das Bühnengeschehen auf einer viel breiteren Basis steht, sind die Musen wirklich zu Hause. Die Freie Bühne Wieden unter Gerald Szyszkowitz gehört zu jenen Wiener Theatern, deren Leistung vermutlich erst nach Jahren volle Anerkennung finden wird (wie einst Stella Kadmons 'Theater der Courage'). Dieses Theater bringt seit drei Jahren aus­schließlich Uraufführungen und leistet damit der zeitgenössischen Dramatik einen enorm wichtigen Dienst Das beweisen auch die jüngsten Produktionen - zwei Ein­akter an einem Abend: 'Talkshow' von Thomas Enzinger und 'Die Undankbaren' von Peter Poppmeier.
Die 'Talkshow' gilt als der moderne Beichtstuhl, freilich ohne Beichtgeheimnis, sondern mit einem sensationslüsternen Massenpublikum vor dem Bildschirm. Enzinger befasst sich kritisch mit dem Verhalten der Moderatorin Laura (Anita Kolbert), die in ihrer Sendung den sexuellen Missbrauch an der jungen Nadja aufdeckt. Als sich das Mädchen (Katja Staud) später das Leben nimmt, wird Laura von Nadjas auch nicht ganz schuldloser Mutter Maria (Mimi Kilinger) zur Rede gestellt. Unter der Regie von Michaela Ehrenstein können alle drei Darstellerinnen überzeugen. Poppmeier führt in seinen 'Undankbaren' einen Rundumschlag gegen die Fassade eines scheinbar heilen Familienlebens. Dabei rollt er im Zeitraffer eine Fülle von Pro­blemen auf - zwischen den Ehepartnern, zwischen den Generationen -, aber immer näher dem Molier'sehen Witz als dem Strindberg'schen Ernst. Gerald Szyszkowitz lässt das Ensemble, angefangen von Vater Bernd (Rainer Stelzig) über die Mutter Justine (Christine Renhardt) bis zu den Kindern Stefan (Randolf Destaller) und Mela-nie (Lilli Schwabe) und zum Freund des Hauses Gustav (Ernst Mathon), entspre­chend komödiantisch agieren.
Legt man die zwei neuen Kinder aus der Dramenwiege auf der Wieden auf die Dramenwaage der Kritik, darf man ohne Überschwang feststellen: gewogen - und keineswegs zu leicht befunden.


Lieber Gerald!
Aufführung war großartig! Bussi an alle!
Dein Thomas Enzinger