Christopher Marlowe

 

Der Spion, der aus England kam

 

Die noch interessantere Frage: Wohin hat das Secret Service Marlowe am 30. Mai 1593 in der Nacht, auf jenem Schiff, das auf der Themse in Debtford gewartet hat, gebracht?

Der Münchner Arzt Bastian Conrad berichtet in seinem Buch über Marlowe, dass ein gewisser William Vaughan in einem Brief aus Pisa am 14. Juli 1602 schreibt, dass er über zwei Mittelsmänner erfahren habe, dass ein nicht allzu großer Mann - mit dem Vornamen Christopher und dem Nachnamen Martor- im Englischen Seminar in Valladolid in Kastilien als Jesuit und Seminarpriester, also als eine "verpuppte Raupe" lebe ("certain caterpillar"). Er habe einen schwarzen Bart und sage, er besitze ein Masterdegree aus Cambridge ("master in Arts of Trinity College in Cambridge").

Der englische Gelehrte Leslie Hotson fand tatsächlich eine Eintragung des Jahres 1599 im Register des Englischen Colleges in Valladolid ("Über Alumnorum"), nämlich den Namen Mattheus, und am rechten Rand steht "alias Christopherus Marierus".

Dieser Matthew gibt im Aufnahmeeintrag ("über primis examinis") zu Protokoll, dass er in Cambridge geboren worden ist, dort sieben Jahre studiert hat, und dann mit einem B.A. und M.A. abgegangen ist.

Marlowe hat also, wie auch andere Hinweise belegen, in Spanien den Decknamen Matthew verwendet. Er ist, wie wir wissen, im Jahr 1603 von Spanien nach London zurückgekehrt, wo er im August 1604 kurz verhaftet worden ist. Man hat ihn aber gleich wieder freigelassen, weil er dem Chief Justice John Popham ja sagen konnte, wer er wirklich ist.

 

Freund von Cervantes

Marlowe scheint aber auch schon vor seiner Tätigkeit als Spion des Secret Service im Jesuitencollege Valladolid in Spanien gewesen zu sein. Ich habe Hinweise gefunden, dass er spätestens im Jahr 1587 den Autor Cervantes kennen gelernt hat. Was mich nicht wundert, denn Autoren lernen im Ausland immer gerne andere Autoren kennen. Ich habe Hinweise gefunden, dass Marlowe den immer in Geldverlegenheiten lebenden Cervantes sogar für den Secret Service angeworben hat.

Und das zu jener Zeit, in der Cervantes für die im Hafen von Cadiz liegende Armada gearbeitet hat. Diese Hinweise besagen, dass die beiden Dichter alle Schiffe so genau ausgekundschaftet haben - auf welcher Seite jeweils wie viele Kanonen einsetzbar waren -, dass Sir Francis Drake am 19. April 1587 mit seinen leichten, englischen Kaperschiffen nicht nur hurtig in den Hafen von Cadiz hat eindringen können, sondern auch überfallsartig 37 Schiffe der dort versteckten Spanischen Armada noch vor ihrer Ausfahrt gegen England in Grund und Boden hat schießen können.

Und bei diesen aufregenden Geschichten haben die beiden einander offenbar so gut kennen gelernt, dass der englische Autor später sogar das Hauptwerk des spanischen Autors, den "Don Quichote", innerhalb von nur 40 Tagen (!) im Jahr 1606 als Erster ins Englische übertragen konnte.

Den Namen Thomas Shelton, unter dem die Übersetzung erschien, hat Marlowe damals als literarischen Decknamen verwendet. Erstaunlicherweise finden fleißige Wortvergleicher mit ihren Computern heute dieselben Wortfolgen in dieser Don-Quichote-Übersetzung wie in vielen Shakespeare-Stücken . . .

 

Marlowe in Kreta

Und noch ein "Kuriosum": Marlowes Abenteuer in Kreta, wo er sich im Jahr 1594, also im Jahr nach dem fiktiven Mord an ihm, in Marita, die Tochter des Venezianischen Statthalters Zan Domenico Cicogna, verliebte, sie entführte und in Venedig geheiratet hat, kommt im "Don Quichote", im zweiten Teil, im Kapitel 38, ausführlich vor. Maritas Amme erzählt als alte Frau die ganze Geschichte.

Leider stirbt die junge Marita im wirklichen Leben bei der Geburt ihres ersten Kindes in Padua. Was aber macht Marlowe mit dem Baby? Er bringt es samt Amme und einem Esel seinem Freund Cervantes nach Sevilla. Wo seine Tochter Spanisch lernt und so lange bleibt, bis er sie nach London bringen kann.

Und der Höhepunkt von Marlowes "spanischen Abenteuern"? Er verliebt sich in die berühmte Schauspielerin Micaela de Lujan, für die er mehrere Stücke schreibt, die in der Zeit aber leider die offizielle Geliebte des spanischen Nationaldichters Lope de Vega ist. Der sie jedoch nicht heiraten kann, weil er schon verheiratet ist. Was also macht Micaela de Lujan? Da sie Lope de Vega nicht heiraten kann, heiratet sie Marlowe.

Und wo? In Südtirol. Und warum in Südtirol? Das muss ich erst recherchieren.