Enzersdorfer Dramaturgie - 9. Stück, 24.  bis 26. Juni 2015

Gerald Szyszkowitz


ENZERSDORFER DRAMATURGIE vom 17. bis 19. Juli 2015


9.Stück:  'PROFESSOR BERNHARDI'

 

Warum wir im Sommer 2015 Professor Bernhardi spielen

 

1 Vorbemerkung


Professor Bernhardi ist das bedeutendste und aufwendigste Stück des großen österreichischen Autors Arthur

Schnitzler. Der entscheidende Satz ist: „Herr Professor, eine höhere Wahrheit als die meiner Glaubensgemeinschaft vermag ich nicht anzuerkennen.“ Das ist eine Überlegung, die man im Moment in vielen Ländern Europas von vielen Zugewanderten mit großer Sorge hört. Auch im Wien um 1900 hatte sich der Gedanke der Demokratie im Volk noch nicht durchgesetzt.

 

2 Der politische Hintergrund


Im Jahr 1882 gründete Georg von SCHÖNERER den ´Deutschnationalen Verein´ mit dem Programm: Eintreten für den Anschluss der deutsch-österreichischen Gebiete an das Deutsche Reich, Kampf gegen die Juden, gegen die nichtdeutschen Nationen Österreichs, gegen die Dynastie und gegen die Kirche. Im Jahr 1887 wurde der ´Christlichsoziale Verein´ gegründet. Rund um Dr. Karl LUEGER. Sein Programm: Eintreten für die Gleichberechtigung aller Staatsbürger und für soziale Reformen gemäß der katholischen Soziallehre, Stärkung Österreichs und der Monarchie, Kampf gegen die Vorherrschaft der Juden in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen. Und es gab auch noch eine dritte Bewegung. Im Jahr 1888 fasste Dr. Viktor ADLER die verschiedenen Richtungen der österreichischen Arbeiterbewegung zur sozialdemokratischen Partei zusammen. Sein Programm: Der Marxismus. Die politische Organisation des Proletariats. Man sieht also, dass im Jahr, als Arthur Schnitzler den ´Professor Bernhardi´ fertigstellte, der Antisemitismus in Wien bereits auf allen Ebenen spürbar war. Als das Volkstheater das Stück aufführen wollte, kam es am 25. 10. 1912 auch prompt zum

offiziellen Aufführungsverbot für Österreich „wegen der tendenziösen und entstellenden Schilderung hierzuländischer öffentlicher Verhältnisse“. Die Uraufführung fand daraufhin in Berlin statt. In Österreich kam das Stück erst sechs Jahre später, im Dezember 1918, auf die Bühne. Die Zensur war mit dem Ende der Monarchie abgeschafft worden.

 

3 Zum Inhalt.


Anlass der Affäre ist die Weigerung Bernhardis, den von der Krankenschwester herbeigerufenen Priester zu einer Sterbenden vorzulassen, die von ihrem nahen Tod nichts ahnt. Bernhardis humanitäre Absicht wird von seinen Gegnern bewusst als Verletzung religiöser Gefühle mißdeutet, und da Bernhardi Jude ist, zu einem Politikum hochgespielt. Diese Affäre ist frei erfunden, hat aber starke Ähnlichkeiten mit den Anfeindungen, die Schnitzlers

Vater Dr. Johann Schnitzler erfahren mußte. Er war Laryngologe und 1872 Mitbegründer und Direktor der

´Wiener Poliklinik´. Er sah sich trotz aller persönlichen Qualifikation wachsenden antisemitischen Intrigen ausgesetzt, ja, seine eigene Poliklinik, an deren Gründung allein jüdische Ärzte beteiligt gewesen waren, sollte gegen Ende des Jahrhunderts plötzlich ´judenrein´ gemacht werden. Mit dieser Enttäuschung

starb Dr. Johann Schnitzler im Jahr 1893.

 

4 Die Charaktere und ihre Schauspieler

 

Klaus Haberl als Professor Bernhardi

Klaus Haberl ist Wiener, Schauspieler, Regisseur und Autor. Er spielte am Volkstheater, am Theater in der Josefstadt, an den Städtischen Bühnen Münster, bei den Wiener Festwochen, am Landestheater St. Pölten, und ich persönlich erinnere mich besonders an seine Titelrolle in meiner Uraufführung DIREKTOR MAHLER in der ´Freien Bühne Wieden´. Im Fernsehen war Klaus Haberl in den ´Leuten von St. Benedikt´ zu sehen und im ´Kommissar Rex´, Inszeniert hat er im Theater der Jugend, im ´Experiment am Liechtenwerd´, in Schwechat und in St. Pölten, und als Autor hat er für sein Stück ´Hain´ im Jahr 2011 den ´Nestroy´ bekommen. Unter anderem deswegen bin ich auch überzeugt, Klaus Haberl bringt die persönliche Empfindsamkeit und die notwendige Intelligenz für den ´Professor Bernhardi´ mit, für diese bedeutendste Figur des großen Schriftstellers Arthur Schnitzler.

 

Felix Kurmayer als Professor Ebenwald

Felix Kurmayer absolvierte nach seinen Schauspielstudien in Deutschland und Österreich, die er mit dem Diplom abschloss, auch eine Ausbildung als Filmschauspieler in Los Angeles. Er arbeitet neben seiner Arbeit als Schauspieler auch als Studiosprecher und Rhetoriktrainer. Mit ihm eine neue Figur und ihr Umfeld zu erarbeiten, ist

immer spannend und vergnüglich, da er alles sehr genau nimmt, aber nie seinen Humor und seine gute Erziehung dabei verliert. Bei den SOMMERSPIELEN 2014 spielte er in der Uraufführung unserer ´Schönborn-und Schüller-Story´ den geheimnisvollen ´Herrn aus Rom´, und in diesem Jahr ist er als Professor Ebenwald wieder eine

hochintelligente, aber auch hochintrigante Figur.

 

Ralph Saml als Dr. Pflugfelder

Ralph Saml ist Wiener, sein erstes Engagement verschlug ihn nach Wilhelmshaven, bald jedoch kehrte er nach

Österreich zurück, spielte unter anderem in St. Pölten und an der ´Freien Bühne Wieden´, ich persönlich erinnere mich besonders an seine Darstellung des Nationalrats Kunschak in der Uraufführung meines Stückes FIGL VOM TULLNERFELD.

Ralph Saml war im Fernsehen in der Serie ´Familienrat´ zu sehen, in der Produktion ´Eine unmögliche Person´ in der Regie von Heide Pils, und im Kinofilm ´Hasenjagd´ in der Regie von Andreas Gruber.

 

Alfons Noventa als Dr. Schreimann

Alfons Noventa kam in Bludenz zur Welt, begann seine Karriere am Landestheater Innsbruck, spielte in St. Pölten, Baden, Berndorf, Villach und Porcia, bei den Sommerspielen in Stockerau und in Perchtoldsdorf, und erfreulicherweise auch viele Rollen in der ´Freien Bühne Wieden´. Besonders in Erinnerung geblieben ist er mir da als Professor Doktor Schmirz in der Uraufführung des Stückes ´Der Fall der Reichsbrücke´ von Matthias Mander.

 

 

Christine Renhardt als Dr. Filitz

Christine Renhardt ist eine Idealbesetzung für diese besonders sorgsame und bedächtige Ärztin, denn Christine Renhardt ist auch selbst eine besonders verläßliche, sorgsame und bedächtige Schauspielerin. Sie ist Wienerin, hat ihre Schauspielausbildung in der Schauspielschule Krauss bekommen, war an der Studiobühne Villach, am Stadttheater Klagenfurt, am Landestheater Salzburg und am Stadttheater Baden engagiert, spielte im Theater der Jugend, im Theater in der Josefstadt und oft auch in der ´Freien Bühne Wieden´. Bei den SOMMERSPIELEN 2014 spielte sie die Nachbarin Katharina Binder.

 

Christina Jägersberger als Dr. Cyprian

Christina Jägersberger ist Wienerin, hat ihre Ausbildung an der Schauspielakademie Ott im Jahr 2011 abgeschlossen, seitdem an der Universität studiert, aber auch im Burgtheater gearbeitet, unter anderem in einem Sprechchor und als Assistentin bei den ´Letzten Zeugen´. In der ´Freien Bühne Wieden´ hat sie die Rolle der Steffi in

der Uraufführung des Stückes ´Messenhauser´ von Wilhelm Pellert gespielt und bei den SOMMERSPIELEN 2014 mit großem Publikumserfolg die Schlagermizi in der ´Liebelei´.

 

Sebastian Blechinger als Dr. Oskar Bernhardi

Auch Sebastian Blechinger kommt aus der Schauspielakademie Ott, spielte schon im Jahr 2011 bei den

Nestroyspielen auf der Burg Liechtenstein, danach in Mödling und im Theater der Jugend, und er war auch bei den Sommerspielen Schloss Sitzenberg und in der ´Freien Bühne Wieden´ zu sehen.

 

Pierre Gold als Hochroitzpointner

Pierre Gold ist der Sohn eines Cafétiers aus dem dritten Wiener Bezirk, beendete vor einem Jahr seine Ausbidung an der Schauspielschule Ott und spielte seine erste große Rolle, den Theodor Kaiser, bei den SOMMER-SPIELEN 2014 in der ´Liebelei´. Im Winter 2014 spielte er in der ´Freien Bühne Wieden´ den Simon in der Uraufführung ´Auf der anderen Seite des Lebens´ von Magdalena Severin.

 

Johanna Machart als Schwester Ludmilla

Johanna Machart betrat die Bretter, die die Welt bedeuten, schon sehr früh in einer Aufführung der katholischen Jungschar in Breitenfurt. Als ´frecher Hirte´ blieb sie nicht nur ihrer Familie in Erinnerung. Sie legte vor einem Jahr die Abschlußprüfung in der Schauspielakademie Ott ab, war schon 2012 in ´Umsonst´ bei den Nestroyspielen auf der Burg Liechtenstein dabei und spielte bei der SOMMERSPIELEN 2014 die kurzgeschorene Pfarrersköchin Zilli in meiner Uraufführung UNGEHORSAM? UM GOTTES WILLEN! Im Winter 2014 war sie in der ´Freien Bühne Wieden´ als ´Freundin´ in der Uraufführung ´Auf der anderen Seite´ von Magdalena Severin zu sehen.

 

Gerhard Rühmkorf als Unterrichtsminister

Gerhard Rühmkorf ist Grazer, erhielt seine Ausbildung am Prayner-Konservatorium in Wien, war lange am Theater in der Josefstadt und im Theater der Jugend engagiert, spielte im Sommer aber auch bei den Nestroy-Festspielen auf der Burg Liechtenstein, vor allem jedoch viele Titelrollen in der Freien Bühne Wieden, weil er aus den unmöglichsten

Papiersätzen noch die blutvollsten Menschen zu zaubern versteht, zum Beispiel den Dramatiker TSCHECHOW, den berühmten Bundeskanzler und Bauern FIGL VOM TULLNERFELD, den weltgewandten Großbürger KREISKY und den

Dichter TOLSTOI.

 

Johannes Kaiser als Hofrat Winkler

Johannes Kaiser hat im Volkstheater gespielt, im Raimundtheater, war vor allem achtundzwanzig Jahre lang ein festes Ensemblemitglied im Theater der Jugend, ist dann aber immer häufiger im Fernsehen aufgetreten, in der Serie ´Rosa und Rosalind´, im ´Ringstraßenpalais´ und in einigen Tatorten, bei den SOMMERSPIELEN 2014 war er zu unser aller Freude in der ´Liebelei´ als alter Weiring zu sehen, und in diesem Sommer bringt er nun seine jahrzehnte lange Beobachtung des eigentlichen Wienertums in die Rolle des raffiniert bescheidenen, aber

zwischendurch doch auch recht hinterfotzigen Hofrats Dr. Winkler ein.

 

Herbert Eigner als Pfarrer

Herbert Eigner wurde im Marchfeld geboren und ist in Groß-Enzersdorf aufgewachsen. Er ist nicht nur Schauspieler, sondern auch Regisseur und Schriftsteller. Er hat nicht nur bereits fünf Bücher herausgebracht, sondern nebenbei auch sein Studium der Theaterwissenschaft mit der Promotion zum Dr. phil. abgeschlossen. Er hat bisher im Theater Experiment am Liechtenwerd und im Stadttheater Grein gespielt, aber der Pfarrer der Kirche zum Heiligen Florian im ´Professor Bernhardi´ ist nun seine erste, große ´klassische Aufgabe´. Mich erfreut an dieser Konstellation besonders, dass die zwei Gegner in unserer entscheidenden Konfrontation zwischen dem Pfarrer und dem Wissenschaftler, beide privat Autoren sind, nämlich Klaus Haberl und Herbert Eigner. Beide schreiben eigene

Texte, aber beide lieben vor allem die Stücke von Arthur Schnitzler.