Wien [ENA] Arthur Schnitzler, genialer Gesellschaftsanalytiker der Jahrhundertwende, verstand es, auch in seinen kürzeren Bühnenwerken immer den Punkt zu finden, wo es schmerzt – ob der Kürze allenfalls noch intensiver. „Komtesse Mizzi“ und „Literatur“ sind heuer in Maria Enzersdorf zu sehen.

 

Liegt das Dilemma bei „Komtesse Mizzi“ in erster Linie darin, daß Menschen, die in gewisser Weise verbunden sind, diese Verbindungen nun auch anderen in ihrer Umgebung eingestehen müssen und plötzlich Menschen einander begegnen, die man eigentlich voneinander fernhalten wollte, liegt der Witz beim Drei-Personen-Stück „Literatur“ mehr in der ungemeinen Problematik, den Aufstieg vom Bohemien in Adelskreise zu bewältigen – noch dazu, wo unser Bohemien weiblich ist und so gar nicht auf ihre Kunst – eben die Literatur - verzichten will. In der Zeit um 1900 ein Riesenproblem und ein handfester Skandal, noch dazu, wenn die Elaborate erotisch angehaucht sind.

 

Michaela Ehrenstein hat hier in der Rolle der Margarete einmal die Gelegenheit, ihre komödiantische Seite zu zeigen, und es gelingt ihr bravourös. Baron Clemens (überzeugend hochnäsig Alfred Noventa) interessiert sich mehr für Pferde und Zigarren, Amandus (Felix Kurmayer) versprüht Zynismus und ist auf der Durchreise. Es ist eben ein komplizierter Balance-Akt zwischen zukünftiger Baronin und ehemaliger Geliebter, vor allem, wenn der Ehemalige mit einem Roman unterm Arm auftaucht, dessen Inhalt eben dieses Verhältnis ist. Margarete hat aber ihre eigene Version verfaßt, die in wenigen Tagen veröffentlicht werden soll. Beide haben ihre Protagonisten gut verhehlt – und beide haben ihren gesamten Briefwechsel im Roman verarbeitet...

 

Liegt bei „Literatur“ noch eine charmante Leichtigkeit in der Luft, ist das Thema von „Komtesse Mizzi“ ein ungleich ernsteres. Die ihres Kindes beraubte Mutter sieht sich nach 17 Jahren ihrem Sohn gegenüber. Das war so nicht geplant, und im Laufe der Handlung begegnen einander immer mehr Menschen, wo das genausowenig geplant war. Am Ende können scheinbar alle mit den neuen Verhältnissen leben – sogar Mizzi scheint doch noch ihr Glück zu finden.

 

Anita Kolbert entwickelt die Titelrolle von der abgeklärt-desillusionierten „alten Schachtel“ zu einer Frau, die ihr Rückgrat bewahrt, Entscheidungen trifft und am Ende vielleicht doch ein wenig Hoffnung schöpft – wenn auch ausgerechnet von Fürst Egon – vollendet aristokratisch Johannes Terne -, dem Vater ihres Kindes. Johannes Kaiser als alternder Graf Pazmandy sucht nach der Richtung für seinen Lebensabend, und Pierre Gold bringt als Mizzis Sohn Philipp durch seine Offenheit ein wenig frischen Wind in das gräfliche Anwesen.

 

Gerald Szyszkowitz hat es erneut zuwege gebracht, mit minimalen Mitteln und großartigen Schauspielern, unterstützt vom wunderbaren Ambiente des Schlosses Hunyadi, klassisches Theater im besten Sinne zu produzieren. Wer die österreichische Theaterkultur zu schätzen weiß, ist hier bestens aufgehoben.