Direktion Freie Bühne Wieden

Premiere am 18. September 2007

Schnitzler und das süße Mädel
von Gerald Szyszkowitz

Eine Collage in zwölf Bildern aus Arthur Schnitzlers Tagebuchnotizen, Briefen und Theaterstücken, zu denen ihn Mizi Glümer angeregt hat.


Theodor Friedmann - Mischa Fernbach
Herr Robert - Johannes Wolf
Emmi Werner, Schauspielerin - Lilli Schwabe
Mizi Glümer, Schauspielerin - Michaela Ehrenstein
Arthur Schnitzler - Felix Kurmayer
      
Regie und Raum: Gerald Szyszkowitz
Assistenz: Johannes Wolf
Hospitanz: Konstanze Fladischer, Matthias Gerstl
Klavier: Judith Lang, Armin Luttenberger
Geige: Konstantin Weitz
Kostüme: Gabi Weninger
Fotos: Rolf Bock

Die Handlung spielt in Wien und Anzbach bei Neulengbach.
Musik: Franz Schubert, Sonatine Nr. 2 a moll opus 137
Diese Uraufführung ist eine Coproduktion mit den ,Sommerspielen Schloss Sitzenberg'


Lona Chernel, WIENER ZEITUNG, 20. September 2007


INSPIRATION UND LIEBE
„Schnitzler und das süße Mädel" nannte Gerald Szyszkowitz das berühren­de Stück, das bei den Sommerspielen auf Schloss Sitzenberg uraufgeführt wurde. Nun hatte es in der Freien Bühne Wieden Premiere und wirkt auf der Guckkastenbühne noch wesentlich stärker, atmosphärisch dichter als im wunder­schönen Schlosshof.
Klarer scheint hier die Geschichte über Menschen, die sich nach Liebe sehnen. Szyszkowitz nahm einige einschlägige Schnitzler-Szenen, schrieb neue dazu, und so entstand ein Werk voll Poesie, das von dem Dichter Arthur, einem schwierigen Egozentriker, und seiner Muse Mizi erzählt. Zwei Menschen in einer Welt, in der der Schein mehr galt als das Sein.
Michaela Ehrenstein und Felix Kurmayer spielen das hervorragend, packen und bewegen in jeder Sekunde. Lilli Schwabe, Mischa Fembach und Johannes Wolf verkörpern gekonnt die weniger Sensiblen, die dadurch besser zurechtkommen. Stimmige Kostüme (Gabi Weninger) und die Musik (A-moll Sonatine von Franz Schubert), dargeboten von Judith Lang und Konstantin Weitz, vervollkommnen den niveauvollen Abend.

BÜHNE 9.07


Das Schicksal eines süßen Mädels
Gerald Szyszkowitz transferiert sein Stück „Schnitzler und das süße Mädel" von den Sommerspielen Sitzenberg an die Freie Bühne Wieden.


Arthur Schnitzler liebte die süßen Wiener Mädeln - privat wie be­ruflich. Vor allem in Form von Schauspielerinnen. Er verkehrte privat mit ihnen und verarbeitete diese Verhältnisse in seinen Werken. So geschah es auch mit der jungen Schauspielerin Mizi Glümer, der Schnitzler, wie er in seinem Tagebuch vermerkte, im Sommer 1889 in einem Wirts­haus in Anzbach bei Neulengbach begegnete, mit der er eine lebenslange Verbindung ein­ging und die unter anderen Namen in mehre­ren seiner Theaterstücke auftauchte.
Collage in 13 Bildern. Dieser Umstand ani­mierte Gerald Szyszkowitz zu seinem neuen Stück Schnitzler und das süße Mädel, das bereits im Juni bei den Sommerspielen Sitzenberg er­folgreich uraufgeführt wurde und ab 18. Sep­tember in der Freien Bühne Wieden zu sehen sein wird. Mit dieser „Collage in 13 Bildern" will Szyszkowitz dem Publikum den Menschen hinter dem Dichter nahe bringen. Ein vorma­liges süßes Mädel charakterisiert Szyszkowitz anhand eines Zitats aus dem Einsamen Weg, mit dem Schnitzler den Auftritt der Schauspielerin Irene Herms beschreibt: „Sie ist einfach und geschmackvoll gekleidet. Ihre Bewegungen sind lebendig, zuweilen von einer beinahe ju­gendlichen Hastigkeit. Ihr Haar ist dunkel­blond und reich, die Augen heiter, manchmal gütig und leicht zu Tränen geneigt."
Innige Verbundenheit. Ausgangspunkt der Auseinandersetzung ist Szyszkowitz' nachhalti­ges Interesse an dem berühmte Arzt und Autor, der sich in eine junge Schauspielerin verliebte, die sogar ein Kind von ihm erwartete und die er trotz inniger Verbundenheit wegen ihrer frühe­ren Verhältnisse nicht mehr heiraten konnte. „Der Haken, der mich zu diesem Stück ge­bracht hat, war, dass Schnitzler Mizi Glümer im Einsamen Weg als alte Schauspielerin auftre­ten und sagen lässt: „Weißt du, du lebst allein, ich lebe allein, wahrscheinlich wäre es anders gekommen, wenn wir das Kind damals bekom­men hätten." Da habe ich nur gedacht, das ist doch der Bogen eines Lebens, dass sie sich als junge Schauspielerin fragt, soll ich das Kind kriegen oder nicht? und als alte Frau erkennt sie, die Einsamkeit des Lebens hat auch damit zu tun, dass sie sich damals dagegen entschie­den hat", erklärt Gerald Szyszkowitz. „Das war der Anstoß, weil ich gesehen habe, dass er sich immer wieder mit Mizi Glümer beschäftigt hat. Zuerst lässt er sie im Anatol auftreten, dann im Märchen als Schauspielerin Fanny Theren, im Freiwild ist sie Anna Riedel und im Einsamen Weg eben Irene Herms. Da sieht man, dass er versucht hat, die Situation mit ihr zu verarbeiten. Auch wenn diese Rollen nicht immer von Mizi Glümer gespielt wurden, hat sich Schnitzler doch die Frage ge­stellt: Darf man eine Frau heira­ten, die vorher schon mit anderen Männern zusammen war?"
Austern im Sacher. Mizi Glümer ist zu Beginn des Stücks die Geliebte von Schnitzlers Freund Theodor Friedmann, mit ihm verspeist sie im Sacher begierig Austern, während sie ihm erklärt, dass sie ihn verlassen müsse, weil sie einen anderen „vom Theater" getroffen habe. Was witzig beginnt, entbehrt nicht einer gewissen Dramatik. Betrügt doch auch der Mann seine Geliebte mit einem an­ständigen Mädchen, das er zu heiraten gedenkt. Doch gelten geschlechtsspezifisch unterschied­liche Gesetze. Während verschiedene Lieb­schaften für Männer Erfahrungen bringen, mit denen man(n) sich brüstet, verlieren Frauen dadurch an Attraktivität, taugen nur mehr zur Geliebten und werden nicht mehr geheiratet.
Schnitzlers und Mizi Glümers unglückliche Liaison ergibt sich daraus, dass er anders han­delt, als er fühlt. So ist der Dichter einerseits ra­send eifersüchtig auf die Liebhaber der jungen Frau, andererseits kann er nicht über seinen Schatten springen und seine Geliebte gegen die Konventionen seiner Zeit zu seiner Frau machen. „Schnitzler war wohl der Meinung, dass Männer betrügen dürfen und Frauen eben nicht. In seinen Stücken thematisiert er das immer wieder, aber da haben lustigerweise meist die Frauen recht. Er kritisiert sogar diese Hal­tung der Männer, nur privat hatte er solche Schwierigkeiten damit. Er konnte im Leben nicht durchhalten, wovon er theoretisch über­zeugt war", erklärt Gerald Szyszkowitz die Diskrepanz zwischen dem privaten und dem öffentlichen Arthur Schnitzler
Kristina Zoufaly


Badener Zeitung
     
Blaue Blume Sehnsucht - „Schnitzler und das süße Mädel"
Aufführung der „Freien Bühne Wieden" im ZIB
Die Collage „Schnitzler und das süße Mädel" hat Autor, Regisseur und Direktor der „Freien Bühne Wieden" Gerald Szyszkowitz aus Arthur Schnitzlers Tagebuchnotizen, Briefen und Theaterstücken, die mit seiner Geliebten, der Schauspielerin Mizi Glümer, in Zu­sammenhang stehen, zusammengestellt. Am vergangenen Frei­tag war das Stück in Baden im Zentrum für Interkulturelle Begeg­nung zu sehen.
Auf unnachahmliche Art und Weise hat es Arthur Schnitzler verstanden, die Menschen des Wiener Groß­bürgertums und ihr in Konfes­sionen gefangenes Agieren zu Ende des 19. Jahrhunderts so treffend zu charakterisieren. Darüber hinaus stattete er diese Epoche mit einem Gemisch aus wehmütiger Melancholie, exal­tierter Überspanntheit und un­ausgesprochenen Sehnsüchten aus, das wohl auch seinem ganz persönlichen Lebensgefühl ent­sprang.
Für Schauspieler nicht gerade leicht, diesen bestimmten Ton zu treffen, diese besondere Stim­mung zu erzeugen. Dass dies ge­lingen kann, einen ganzen Thea­terabend lang, bewies auf ein­drucksvolle Weise das Ensemble der „Freien Bühne Wieden" - Jo­hannes Wolf als Herr Robert, Lilli Schwabe als Schauspielerin Emmi Werner, Mischa Fernbach als Theodor Friedmann, Felix Kurmayer als Arthur Schnitzler und Michaela Eh­renstein als Mizi Glü­mer. Eine besondere Leistung bot Michaela Ehrenstein, die trotz Er­krankung die wechsel­volle Rolle des „Süßen Mädels" bewundernswert meisterte.
 Gerald Szyszkowitz hat mit diesem Theater­stück, das er für die Sommerspiele in Schloss Sitzenberg ge­schrieben hat, die ent­scheidenden Begeg­nung Arthur Schnitz­lers mit Mizi Glümer in Anzenbach bei Neu­lengbach im Sinn ge­habt. Baden ist jedoch an der beiden Liebesge­schichte auch nicht ganz unbeteiligt. Soll doch Glümer ihren Ge­liebten öfters hier be­sucht haben. Jedenfalls dürfte Szyszkowitz mit diesem Stück ein Lebensbild Schnitzlers gelungen sein, das ihm möglicherweise sehr nahe kommt. Wie er wirk­lich, wie seine Gefühle waren, werden wir nie wissen. Viel­leicht hat er es selbst nicht ge­wusst.
Wanda Mühlgassner